Es fragt sich, nicht erst seit heute, ob Richter nur willfährige Instrumente der Regierenden seien. Drei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit dokumentieren, wie eklatant der Eingriff der Justiz auf die demokratische Willensbildung inzwischen geworden ist. In Rumänien wurde nach dem Erfolg des Oppositionskandidaten Calin Georgescu bei den Präsidentschaftswahlen 2024 die erste Runde annuliert, Georgescu verhaftet und mit der Begründung von den Wahlen ausgeschlossen, er habe »die Verpflichtung zur Verteidigung der Demokratie verletzt«. In der Türkei bekam der Istanbuler Oberbürgermeister und profilierte Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu keine Chance, gegen Erdogan anzutreten. Auch er wurde als aussichtsreicher Wettbewerber ausgeschaltet, inhaftiert wegen angeblich Führung einer kriminellen Organisation, Bestechung, Ausschreibungsmanipulation und Unterstützung der PKK/KCK.
Und nun der dritte Fall, ein echter Paukenschlag: Die bei Umfragen weit vorn liegende Marine Le Pen, Vorsitzende des rechten Rassemblement National, wurde am 31. März von einem Pariser Gericht wegen Veruntreuung von öffentlichen Geldern für schuldig befunden und zu vier Jahren Haft, zwei davon auf Bewährung ausgesetzt, verurteilt. Zusätzlich wird sie von der kommenden Präsidentschaftswahl 2027 und auch von allen anderen Wahlen in Frankreich ausgeschlossen. Der Vorwurf: Mitarbeiter ihrer Fraktion im EU-Parlament sollen zwischen 2004 und 2016 durch die EU finanziert worden sein, obwohl sie hauptsächlich Parteiarbeit geleistet haben sollen. Ist ein ähnliches Vorgehen, bei dem Richter, Verfassungsrichter und Haftrichter in den demokratischen Prozess eingreifen, auch in Deutschland zu befürchten?
Wenn man den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD diesbezüglich Glauben schenkt, ja. Sie sehen nämlich den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung vor. Stefan Brandner, AfD-Vize, meint, das Vorhaben sei freiheitsfeindlich, es sei ein weiterer Versuch, unliebsame politische Meinungen aus den Parlamenten zu drängen. Der Straftatbestand der Volksverhetzung diene in zunehmendem Maß gerade nicht dazu, den öffentlichen Frieden zu schützen. Er werde dazu missbraucht, bestimmte politische Meinungen, Auffassungen und Einordnungen zu diffamieren. Die Ausgrenzung der Opposition werde so noch weiter vorangetrieben. (Quelle, Deutschlandfunk, 27.3.25)