Staat muss sich gegenüber der AfD nicht neutral verhalten
Im Januar 2024 hatte die ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Zusammenhang mit der öffentlichen Erregung um das vermeintliche »Geheimtreffen von Potsdam« auf der Webseite der Landesregierung die AfD als »rechtsextreme Verfassungsfeinde« sowie als »Fall für die Verfassungsschutz- und Strafverfolgungsbehörden« bezeichnet, außerdem als eine Partei kritisiert, die Pläne zur »Vertreibung und Deportation von Millionen Menschen aus rassistischen Motiven« habe. Damit hatte sie zur Teilnahme an einer Großdemonstration in Mainz gegen Rechts aufgerufen. Daraufhin hatten der Bundes- und der Landesverband der AfD eine Organklage gegen Dreher erhoben und damit argumentiert, Dreyer habe gegen das gesetzlich verankerte Neutralitätsgebot verstoßen und in das Recht auf Chancengleichheit der Partei eingegriffen.
Am 2. April hat das rheinland-pfälzische Landesgericht die Organklage zurückgewiesen: Dreyer habe zwar gegen das Neutralitätsgebot und die Chancengleichheit verstoßen, dies sei »aber zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt« (sic). Es ist das erste Mal, dass oberste Landes- oder Bundesrichter dieser Rechtsauffassung folgen. Die zur Neutralität verpflichteten staatlichen Behörden dürfen demnach doch Partei ergreifen – wenn es dem »Kampf gegen Rechts« dient.
Erstmals hat ein deutsches Gericht damit dem regierungsamtlichen »Kampf gegen Rechts« den Vorrang vor dem Gebot der staatlichen Neutralität eingeräumt. Bundesweit könnte die Entscheidung Nachwirkungen haben: Regierende anderer Länder und auf Bundesebene könnten sich auf das Urteil berufen, um sich offensiver gegen die AfD zu positionieren. Die Entscheidung bricht mit der strengen Linie des Bundesverfassungsgerichts, das vergleichbare Aussagen von Regierungsvertretern bisher stets als verfassungswidrig eingestuft hat. Die AfD sieht in dem jüngsten Urteil daher einen »gefährlichen Präzedenzfall«, der die staatliche Neutralität gegenüber politischen Parteien aushöhle und dem Missbrauch von Regierungsämtern für parteipolitische Stellungnahmen Tür und Tor öffne.
Dreyer hatte auch behauptet: »In Deutschland haben wir schon einmal die schreckliche Erfahrung gemacht: Rechtsextremisten tun, was sie sagen, und sie sagen, was sie tun.« Auch diese Behauptung sei laut Verfassungsricht der Landesregierung nun erlaubt; die AfD sei »durch die amtlichen Verlautbarungen nicht in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb« verletzt worden. Ungleichbehandlung sei zulässig; der Staat dürfe »die AfD verunglimpfen« (Junge Freiheit). Die Gefahr ist groß, dass Regierungen künftig unbegrenzt missliebige Parteien als verfassungsfeindlich klassifizieren und öffentlich verurteilen. (Quelle: jungefreiheit.de, 3.4.25)