Kommt das Wahrheitsministerium?

Der eindeutige Wahlsieg der AfD hat gezeigt, dass allen Widerwärtigkeiten zum Trotz ein Ruck innerhalb der Wählerschaft erfolgt ist. Nicht wenige werden jedoch bedauern, dass dieser Ruck nicht stark genug gewesen ist und einen noch höheren Stimmanteil hätte herbeiführen müssen. Entscheidend ist doch, dass AfD und Linke künftig über eine gemeinsame Sperrminorität verfügen, da eine Zweidrittelmehrheit von Union, SPD und Grünen im neuen Bundestag nicht mehr besteht. Das wird zur Folge haben, dass die künftige Bundesregierung es schwer haben wird, Verfassungsänderungen durch den Bundestag zu bekommen.

Friedrich Merz, der schnell eine Regierung bilden wollte und einen Ton anschlug, als hätte seine Partei die absolute Mehrheit errungen, gab sich auf dem CDU-Parteitag Anfang Februar kompromisslos, doch war von vornherein klar, dass er ohne Kompromisse wohl keine Politik würde machen können. Nach dem Anschlag von Aschaffenburg im Januar war Friedrich Merz noch klar und entschlossen: Die CDU werde nur eine Koalition eingehen, wenn man sich auf eine Wende in der Migrationspolitik einigen würde. Nun ruderte Merz wieder einmal zurück und beerdigte bereits 21 Stunden nach seinem Wahlsieg seine versprochene Migrationswende: »Niemand von uns will die Grenzen schließen, niemand.« (Quelle: zdf.de, 24.2.25)

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags waren die Chefs von Union und SPD ob der erzielten Kompromisse voll des Lobes. Die vielen kritischen Stimmen deuten darauf hin, dass ein richtiger Aufbruch kaum zu erwarten ist und es in manchen Fällen leider bei bloßen Absichtserklärungen bleiben wird. Dafür sind die Knackpunkte und die Fallstricke (u.a. Mindestlohn und Senkung der Einkommensteuer) zu offensichtlich.

In einem wesentlichen Punkt hat Merz keinen Rückzieher vollzogen: Laut Koalitionspapier planen Union und SPD Gesetze, die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in unzulässiger Weise aushöhlen sollen, wortwörtlich: »Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen« und »den Straftatbestand der Volksverhetzung verschärfen«. Hierzu soll der neue Delikt der »Informationsmanipulation« geschaffen werden.

Hans-Georg Maaßen, bis November 2018 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), wird wohl nach wie vor bestens informiert sein. Am 3.4.25, also noch vor dem Abschluss des Koalitionsvertrags, ließ er durchblicken, dass Friedrich Merz eine Zusammenarbeit von Behörden mit staatlich finanzierten NGOs anstrebe, um kritische Medien mundtot zu machen, und entsprechende Zusammenkünfte etwa mit ›Correctiv‹ vorbereite. Für Maaßen bedeute dies nichts anderes als die Gründung eines neuen Inlandsgeheimdienstes.

Maaßen behielt Recht. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD nämlich darauf geeinigt, dass die »bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen« durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt sei. Dieser Position der Koalierenden hat der frühere Bundesverfassungsrichter Peter Michael Huber gegen¬über dem Stern (2.4.25) heftig widersprochen: »Hass und Hetze sind keine rechtlich klaren Begriffe, sondern Einfallstore für die Durchsetzung ideologischer Vorstellungen vor allem aus dem links-grünen Milieu«. Dadurch werde der Korridor des Sagbaren immer stärker verengt. Zwar stimme es, daß eine bewusste, also vorsätzliche Verbreitung falscher Tatsachen nicht unter Schutz von Artikel 5 des Grundgesetzes falle, doch die Frage ist allerdings, »dass der Wahrheitsgehalt einer Äußerung oft unklar ist und wie der Vorsatz festgestellt werden kann«. Es sei in diesem Zusammenhang an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28.11.201 erinnert: »Der Meinungsäußernde ist insbesondere auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen, da das Grundgesetz zwar auf die Werteloyalität baut, diese aber nicht erzwingt.«

Union und SPD wollen das Lügen verbieten. (Waren manche von Merz und der CDU im Wahlkampf propagierte Versprechungen und Behauptungen nicht etwa ›fake news‹ oder, wie es nun schön heißen soll, »Delikte der Informationsmanipulation«?) Von einem »Wahrheitsgesetz« (welt.de, 11.4.25) ist schon die Rede. Der Weg zum »Wahrheitsministerium« ist dann nicht mehr sehr weit. George Orwell läßt grüßen.

„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“

Augustinus